DAS FENSTER ZUM HOF
USA 1954 - Regie: Alfred Hitchcock, mit James Steward, Grace Kelly, Raymond Burr u.a.
Fotograf Jeff ist wegen eines Beinbruchs an einen Rollstuhl in seiner Wohnung im ersten Stock gefesselt. Umsorgt von seiner Verlobten Lisa und der Pßegerin Stella, beobachtet der äußerst gelangweilte Jeff seine Nachbarn. Dabei meint er, Anzeichen für den Mord eines Mannes an dessen Ehefrau beobachtet zu haben. Zusammen mit Lisa macht er sich an die Untersuchung des mutmaßlichen Verbrechens.
Getrost darf man dieses Werk des Meisters als Mutter des gepßegten Kinovoyeurismus bezeichnen. Gemeinsam mit dem Hauptdarsteller erleben wir ZuschauerINNEN wie aus der Befürchtung, der Nachbar sei ein Mörder, langsam aber sicher die dringende Hoffnung wird - sensationell spannend - unbeschreiblich gut!
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Das Drehbuch zu Das Fenster zum Hof wurde von John Michael Hayes geschrieben, der zuvor Radio-Komödien und -Krimis verfasste. Es war das erste von vier Drehbüchern, die Hayes innerhalb von nur drei Jahren für Alfred Hitchcock schrieb. Vorlage war eine Kurzgeschichte von Cornell Woolrich, die er unter dem Pseudonym William Irish 1942 veröffentlichte. Außerdem ließ sich Hitchcock von zwei realen Fällen von englischen Frauenmördern inspirieren, so dem Fall des Dr. Hawley Crippen, von dem Hitchcock besonders fasziniert war. Hitchcock und Hayes behielten von Woolrichs Geschichte letztendlich nur die Grundidee und bauten die Handlung völlig neu auf.
Als James Stewart das Drehbuch las, war er sofort überzeugt und sagte für die Hauptrolle zu, und zwar ausschließlich gegen einen Gewinnanteil und ohne feste Gage. Die weibliche Hauptrolle sollte Grace Kelly spielen, die soeben in Bei Anruf Mord ihr grandioses Hitchcock-Debüt gab. Grace Kelly gab für Das Fenster zum Hof Elia Kazan einen Korb, der sie gleichzeitig für Die Faust im Nacken verpßichten wollte. Diese Rolle ging an Eva Marie Saint, die später in dem Hitchcock-Film Der unsichtbare Dritte mitspielte.
Hitchcock gab der Kostümbildnerin Edith Head penible Anweisungen für die Kostüme von Grace Kelly. Jeder Schnitt, jede Farbgebung waren vorgegeben. Jedes Kostüm sollte hundertprozentig zur jeweiligen Stimmung passen. Es war (nach Berüchtigt, 1946) die zweite Zusammenarbeit von Hitchcock mit Edith Head, die von da an für fast alle seiner Filme die Kostüme entwarf.
Die Dekoration für Das Fenster zum Hof war außergewöhnlich und wurde ausnahmslos im Studio errichtet. Zwar spielt der ganze Film (bis auf eine kurze Szene) in einem einzigen Raum, die eigentliche Bühne ist jedoch der Hinterhof mit den 31 anderen Wohnungen, von denen 12 vollständig eingerichtet waren. Der Bau und vor allem die korrekte Ausleuchtung waren sehr aufwändig. Der Eindruck eines realen Hinterhofs wird durch die den ganzen Film überlagernde Straßenverkehrs-Geräuschkulisse verstärkt.
Das Fenster zum Hof war Hitchcocks erster Film für Paramount, für die er ursprünglich insgesamt neun Filme drehen sollte. Schließlich wurden es fünf. Die Rechte an Das Fenster zum Hof und drei weiteren dieser Filme fielen vertragsgemäß an Hitchcock zurück, so dass sie jahrzehntelang nicht verfügbar waren, da er sie als Teil des Erbes an seine Tochter aufhob. Nach Hitchcocks Tod kamen sie Anfang der 80er Jahre wieder ins Kino und ins Fernsehen.
Interpretation
Das Fenster zum Hof ist ein zuweilen komödiantischer Thriller, dessen Spannung sich aus der einfachen in drei Sätzen zu erklärenden Grundkonstellation ergibt. In dieser Einfachheit ist Fenster zum Hof letztendlich perfekt in Dramaturgie und Spannungsaufbau und gehört zu Recht zu den Klassikern des Spannungskinos.
Auf einer zweiten Ebene ist der Film jedoch deutlich komplexer, er behandelt auf der für Hitchcock typischen psychologischen Ebene verschiedene Formen menschlicher Beziehungen, mit all ihren Schwierigkeiten. Jeff ist unschlüssig, ob er mit Lisa eine feste Bindung eingehen sollte oder nicht. Die Stimmungen zwischen den beiden spiegeln sich im Verhalten der Nachbarn wider. Von den einsamen Singles (ÑMs. Lonelyheartsì und der Komponist), über das begehrte Model, das frisch verliebte Paar und das ältere Ehepaar mit Hund, bis hin zu dem Ehepaar, bei dem der (vermutete) Mord des Ehemanns an seiner Frau die Grundlage der Handlung bildet. Mit diesem Hintergrund bekommt die Vermutung von Jeff, einen Mord bei dem Ehepaar beobachtet zu haben, einen besonderen Hintergrund, da seine Interpretation des Verhaltens des Nachbarn durchaus die eigene Form von Beziehungsangst widerspiegelt.
Es gibt eine dritte Ebene: Der an den Rollstuhl gefesselte Fotograf steht stellvertretend für den Kinozuschauer, der den Geschehnissen auf der Leinwand (das heißt in den 31 Fenstern des Hinterhofs, die wie 31 kleine Kinoleinwände wirken, auf denen simultan 31 Filme ablaufen) zuschaut, wehrlos, ohne Möglichkeit des Eingreifens, aber auch neugierig und voyeuristisch. Hitchcock macht uns zum Komplizen: Wir (als Zuschauer) wollen - wie auch Jeff - dass Thorwald seine Frau ermordet hat. Eine harmlose Erklärung für die Beobachtungen würde uns (und Jeff) enttäuschen.
Auf der vierten Ebene schließlich ist Jeff, der Fotograf, von Berufs wegen bereits Voyeur, Stellvertreter des Regisseurs höchstpersönlich. Er erfüllt das in der Regel völlig harmlose Treiben der anderen mit Leben, indem er sich Geschichten ausdenkt. Er macht sie so zu (ungewollten) Mitwirkenden in "seinem" Film. In Jeffs Film ermordet Thorwald seine Frau, so muss es dann auch sein. Film und Wirklichkeit, das Leben der Anderen und die eigene Einbildung werden untrennbar verwoben. Die Befürchtung, Thorwald hätte seine Frau ermordet, wird bald zu dem Wunsch, er hätte es getan. Der Nervenkitzel überdeckt alles andere, führt sogar so weit, dass die beiden keine Augen mehr für die vom Leben enttäuschte Miss Lonelyhearts haben, die ganz offensichtlich ihren Selbstmord vorbereitet. Die unbekannte (eventuell) Tote ist interessanter als die Lebende, der sie wirklich helfen könnten.
Der Film findet für Jeffs Voyeurismus keine Entschuldigung. Auf die Frage des Mörders am Ende, was Jeff denn von ihm wolle, weiß Jeff keine Antwort. Es ging nicht um Gerechtigkeit, es war die reine Neugierde. Und er wird für dieses Eindringen in die Privatsphäre der Anderen auch symbolisch bestraft, mit einem zweiten gebrochenen Bein.
(Quelle: WIKIPEDIA)
Termine & Tickets
Preise: SB&C 11,50 inkl. Essen (7,00 nur Film)